Ergebnisse einer bibliometrischen Analyse zum Thema Digitale Identität: Bedeutende Publikationen, Forschungsströme und Zusammenhänge

Von Lennart Ante

Digitale Identitäten stellen eine Basis für vertrauensvolle Transaktionen zwischen zwei oder mehreren Parteien dar. Mittels einer digitalen Identität können sich Personen, Objekte oder Systeme gegenüber anderen Parteien ausweisen, um die Echtheit ihrer Information zu belegen. So können als Nachweise beispielsweise Ausweisinformationen, Zugangsberechtigungen oder Nachrichten dienen.

Heutzutage wird eine Vielzahl an Transaktionen digital abgewickelt. Dies erschwert die klassische „Face-to-Face“ Identitätsbestätigung beziehungsweise macht sie vielfach unmöglich. Darüber hinaus führt insbesondere der Umstand, dass eine oder beide Parteien von Transaktionen Objekte oder Systeme sind, zu einem hohen Maß an Komplexität, die eine große Herausforderung für digitale Identitätssysteme darstellt.

Dies vorausgeschickt haben wir eine bibliometrische Analyse zum Thema Digitale Identitäten durchgeführt und möchten Ihnen unsere Erkenntnisse zu bedeutenden Publikationen, Forschungsströmen und Zusammenhänge gern im Nachfolgenden vorstellen.

Forschung zu dem Thema Digitale Identitäten existiert bereits seit einigen Jahrzehnten. So hat Cameron (2005) herausgestellt, dass dem Internet die wesentliche Fähigkeit eines Identity-Layers fehlt, was in der Vergangenheit zu zahlreichen Workarounds geführt hat. Nach Allen (2016) existieren demnach vier evolutionäre Schritte des Online-Identitätsmanagement:

  • Zentralisierte Identitäten (z.B. IANA, IP-Adressen).
  • Föderierte Identitäten (z.B. Google Login-Button).
  • User-zentrierte Identitäten, bei denen Identitäten einzeln oder über mehrere Stellen hinweg verwaltet werden.
  • Selbstsouveräne Identitäten bzw. Self-sovereign Identities, bei denen NutzerInnen volle Kontrolle über ihre Daten besitzen.

Vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums von Forschung zum Thema Digitale Identitäten sowie der zugleich zunehmenden Bedeutung von Technologien, wie z.B. Blockchain oder Digital Twin, verfolgt die vorgestellte Studie das Ziel, die bestehenden Erkenntnisse wissenschaftlich aufzubereiten, zusammenzufassen und zu analysieren.

In unserer Studie „A bibliometric review of research on digital identity“ haben wir Forschungsströme und aufkommende Trends in der akademischen Forschung zu der Digitalen Identität durch eine bibliometrische Analyse von 1.395 peer-reviewed Artikeln und deren 44.412 Referenzen identifiziert. Daraus haben wir sieben verschiedene Forschungsströme und ihre Beziehungen mittels einer Kozitationsanalyse abgeleitet. Die Analyse führte zu sieben wesentlichen Forschungsströmen, welche wir nachfolgend in Kürze beschreiben und zusammenfassen:

  1. Digital Twin Technologie für intelligente Fertigung und industrielle Anlagenüberwachung
    • Einführung und Überblick über das Konzept des digitalen Zwillings
    • Anforderungen, Herausforderungen, Vorteile und Richtlinien für die digitale Zwillingstechnologie
    • Cyber-physische Systemprognostik und Health-Monitoring (z. B. Flugzeuge, Windkraftanlagen, Fahrzeuge)
  1. Identitätsbasierte Signaturverschlüsselungsverfahren
    • Identitätsbasierte Signaturen, Verschlüsselungs- und Signaturverschlüsselungsverfahren
  1. Verteilte Netzwerke und Benutzerdaten
    • Technische Grundlagen von verteilten Systemen, Peer-to-Peer-Netzwerken und Blockchains
    • Ausmaß der Privatsphäre und Anonymität der Benutzer im Bitcoin-Netzwerk
  1. Benutzerauthentifizierung in drahtlosen Sensornetzwerken
    • Authentifizierungsverfahren in drahtlosen Sensornetzwerken (z. B. BioHashing, elliptische Kurvenkryptographie)
    • Anwendungsspezifische Schemata (z. B. Wireless Body Area Networks (WBANs), Telecare Medical Information Systems (TMIS))
  1. Attributbasierte Verschlüsselungsverfahren
    • Attributbasierte Signaturen und Verschlüsselungsverfahren
  1. Sicherer Datenaustausch im Internet der Dinge
    • Sicherheit und Schutz der Privatsphäre bei der Datenübertragung
    • Schemata zur Daten-Deduplizierung
    • Sichere gemeinsame Datennutzung und Zugriffskontrolle
    • Verschlüsselungsschemata für Datenverschiebung und Outsourcing
  1. Blockchain und Smart Contracts für eine sichere Datenverwaltung
    • Blockchain und Smart Contracts für sichere und skalierbare datengesteuerte Anwendungen, Speicherung, gemeinsame Nutzung und Verwaltung
    • Thematischer Fokus auf Gesundheitswesen, Medizin- und Pharmabranche

Zusammenhänge der Forschungsströme

Im Rahmen der Zusammenfassung der sieben Forschungsströme und deren bedeutsamster Publikationen, sollen dem Leser/ der Leserin ein ganzheitlicher Überblick und ein grundsätzliches Verständnis über das breite und komplexe Feld Digitaler Identitäten ermöglicht werden. Zudem können aus den aus unserer Studie generierten Erkenntnissen Ansätze für zukünftige Forschung aus den bedeutenden Publikationen gewonnen werden. Hierdurch können Suchkosten für WissenschaftlerInnen und AnwenderInnen reduziert und bedeutsame Impulse gewonnen werden.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Forschung zu Digitalen Identitäten noch in den Kinderschuhen steckt, sich jedoch rasant in diverse Richtungen weiterentwickelt. Dabei müssen sich dominante Technologien und Standards erst noch herausgebildet bzw. entwickelt werden. Grundlegende Fragen und technische Probleme rund um die Themen Datenschutz und Sicherheit beschäftigen den wissenschaftlichen Diskurs. Zudem treibt die Forschung zu digitalen Zwillingen die Innovation im Bereich der digitalen Identität mit einem stärkeren Fokus auf Anwendungen und realisierbarer Anwendungsfälle voran.

Wir hoffen, dass Ihnen die Ergebnisse unserer systematischen und umfassenden Literaturübersicht wertvolle Einblicke in die Entwicklung der zahlreichen Forschungsthemen auf dem Gebiet der digitalen Identität liefern und Sie dabei unterstützen, sie entsprechend differenziert zu betrachten. Das Internet mag ohne eine Identitätsschicht gebaut worden sein, doch ForscherInnen arbeiten hart daran, dies zu ändern.

Die vollständige Studie „A bibliometric review of research on digital identity“ können Sie hier herunterladen. Sollten Sie an einem gemeinsamen Austausch oder einem Projekt zu dem Thema mit uns Interesse haben, freuen wir uns von Ihnen zu hören.

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